Kommen wir mal wieder zu einer Geschichte, die mit „das müsste eigentlich so und so gehen …“
Genau, und das ist nämlich so, dass es genau SO erst mal gar nicht geht. Aber worum geht es überhaupt?
Moderne Autos haben üblicherweise eine Funktion, dass man, wenn man abschließt, alle Fenster ebenfalls schließen. Und da DAS CABRIO selbstverständlich – wie ich sicherlich schon mal in dem einen oder anderen Beitrag erwähnt habe – definitv noch immer ein modernes Cabrio ist und ich nach wie vor an Featuritis leide, muss die natürlich auch mit rein.
Aber wie so oft gestaltet sich das aber leider nicht ganz so einfach:
Meine Cabrio-Ausgabe ist aus dem Modelljahr 1993. Da war Richard von Weizsäcker Bundespräsident, das E-Netz entstand und Audi schickte den großen 4.2er V8 ins Rennen.
Für den legendären V8 – der mehr sein sollte als ein Audi 200 mit „einmal alles und mit scharf“ – hatte man sich ein kompliziertes System für die Komfortschließung überlegt, bei der das Steuergerät für die elektrischen Fensterheber vom Schließzylinder (oder alternativ von der ZV via Funk) angesteuert wurde, welches wiederum ein Komfortrelais ansteuerte, was dann über den Weg der vielen eFh-Schalter die Motoren ca. 12 Sekunden lang mit Strom versorgte. Wer mir das nicht glaubt, der schaue sich mal die Stromlaufpläne (SLP) und das Relais 327 (Artikelnummer 441 959 257 A) an. Und wie ich besagten SLP so studierte, dachte ich bei mir: Ich bin ja Kaufmann, also kann ich quasi alles. Und schon lange kann ich mit vorhandenen Relais etwas stricken und basteln …
Vorbereitung – Die Hochlaufautomatik
Nun hat mein Cabrio an sich zwar eine ZV, aber ohne Funk – die konnte man erst einige Jahre später ab Werk bestellen. Aber immerhin hat es schon die Funktion, dass das Fahrerfenster per Tastendruck automatisch nach unten läuft. Ja, genau, nach unten, nicht aber nach oben. Diese Funktion wurde zum Modelljahr 1993 zwar noch verkabelt, aber nicht mehr gesteckt. Wenn man sich dann auf die Suche macht, findet man tatsächlich einen 2-poligen schwarzen Stecker, der ein blaues Kabel führt. Und einen weißen Stecker mit Kupplung, in dem ein braun/schwarzes Kabel in ein braun/gelbes übergeht und daneben ebenfalls ein einsames blaues Kabel steckt. Bringt man diese beiden blauen Kabel in dem weißen zusammen, dann funktioniert die Hochlaufautomatik wieder, sobald der Motor läuft.
Ich vermute, dass die Ingenieure sich dabei gedacht haben, dass dann auch jemand im Auto sitzt und beobachten kann, was der Fensterheber macht. In Ermangelung eines Endkontaktes oder einer Regelung fährt die Scheibe so lange nach oben, bis sie oben ist. Punkt. Ob da ein Blatt, eine Hand oder ein Kopf den Weg kreuzen, macht erst mal keinen Unterschied 😉
Die Hochlauffunktion ist zwar nicht wichtig für die Komfortschließung, aber wo ich schon dabei war, lag das auf dem Weg 🙂 Ich weiß leider nicht, bis zu welchem Zeitpunkt Audi diese Verkabelung verlegt hat, aber es ist eindeutig, dass man für die Funktion das Relais 343 oder ein vergleichbares mit dem Kontakt „61“ benötigt. Bei den späteren Baujahren kam das Relais 367 zum EInsatz, welches diese Funktion beispielsweise nicht hat. Dafür wurden dann aber andere Dinge realisiert, z.B. antippen für die Runterlaufautomatik für ALLE Fenster oder auch die von mir gewünschte Komfortschließung …
Die Ansteuerung
Grundlage ist eine Funk-Steuerung aus dem Zubehör, in meinem Fall eine von JOM mit Ansteuerung Komfortschließung.
Diese hat einen Ausgang „Komfortschließung“, der sich sich als 12V+ oder 12V- schalten lässt. Damit könnte man ja meinen, sei man schon fertig – anschließen, einschalten, läuft.
Weit gefehlt! Zum Einen ist der immer 22 Sekunden lang geschaltet. Vermutlich braucht ein altes Schiebedach so lange, aber elektrische Fensterheber? In meinem topmodernen Cabrio? 7 – in Worten SIEBEN Sekunden, bis auch das letzte Fenster von ganz unten wieder ganz oben ist. Demnach ist die Schaltung mal locker 15 Sekunden drüber.
Zum Anderen birgt die Funktion ein weiteres Problem, da die Komfortschließung IMMER angesteuert wird, sobald man das Auto per Funk abschließt. Es sind aber nicht immer die Scheiben unten, also würden regelmäßig die Motoren quasi gegen maximalen Widerstand laufen und wie das ausgeht, kenne ich von den FUBA Antennen. Also neue Überlegungen anstellen.
Gut, wenn das mit dem „Komfortschließen“ nicht geht, dann gibt es daneben ja noch die Funktion „Kofferaum öffnen“. Dabei wird aber nur ein kurzer 12V Impuls ausgegeben, was natürlich für nix ausreichend ist. Aber als Ansteuerung separat von der Schließung finde ich das schon mal gar nicht so schlecht. Bleiben die Fragen, wie man aus einem kurzen Impuls einen ausreichend langen macht – und natürlich die eigentliche Hauptüberlegung:
Wie und wo greife ich in die vorhandene Steuerung ein, ohne das mir etwas um die Ohren fliegt, weiterhin alles wie gewohnt funktioniert aber sich trotzdem die Scheiben per Funk schließen lassen?
Der Grundgedanke
Wenn man sich die SLP vom Cabrio so durchschaut, stellt man fest, dass Audi eine ganze Batterie an Relais und Schaltern implementiert hat, um die ganze Sache so zu steuern, wie sie gesteuert wird. Es gibt zwei Relais um das Fahrerfenster hoch- oder runterfahren zu lassen und zwei weitere, die das Gleiche mit dem Rest veranstalten. Dabei hat man die beiden für das Fahrerfenster nach hinten unter die Rücksitzbank gesetzt und die beiden anderen nach vorne – warum auch immer. Das Entscheidende dabei ist lediglich, dass ein großer Teil der Verkabelung vorne und hinten jeweils parallel verläuft.
Ich hatte bei meinen Überlegungen natürlich auch im Forum jede Menge Threads zu dem Thema gelesen. Die Autos sind mindestens 20 Jahre alt und es gab über 70.000 Stück. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach so langer Zeit tatsächlich mal ein ganz neuer Gedanke dabei ist, ist eher gleich Null – auch wenn man in den diversen Facebookgruppen täglich mit immer „neuen Ideen“ konfrontiert wird …
Nun gut – wie erwartet gab es schon vor mir Leute, die auch mit dem Gedanken gespielt haben, für die Nachrüstung den Weg über den Zentralschalter (ZS) zu gehen. Das wurde aber verworfen, weil man verschiedene Probleme überwinden muss, wozu anscheinend noch keiner Lust oder passende Lösungsansätze hatte:
- Wenn man den Schlüssel abzieht, die Tür öffnet und wieder schließt, dann fällt im eFh-Steuergerät das Hauptrelais ab und der gesamte Kreis ist stromlos.
- Man kann nicht einfach quasi rückwärts Strom auf den eFh-Schaltkreis geben, weil dann auch rückwärts über den X-Kontakt andere Geräte wie z.B. das Gebläse plötzlich ebenfalls Strom bekommen. Das könnte dann haarig werden, je nachdem, wie hoch der verbaute Schalter belastet werden darf. Durch Überlastung soll ja schon mal ein Kontakt in Rauch aufgegangen sein … habe ich mal gehört und natürlich noch niemals nie nicht selbst erlebt 😉
- Man kann auch nicht einfach so auf das schwarz-weiß-grüne Kabel vom ZS 12V- als Ansteuerung geben. Wenn man „absenken“ drückt, dann schaltet der ZS zwar von Pin 4 auf Pin 1 Masse durch – aber im Ruhezustand verbindet der Pin 3 mit Pin 1, und das ist Zündplus! Es ist zwar möglich, das trotzdem miteinander zu verbinden, aber üblicherweise nur ein einziges Mal …
- Bei dem schwarz-weiß-grünen Kabel ergibt sich ein weiteres Problem:
Man kann das sowieso nicht einfach auf Masse legen, denn dann würden die Fenster ja ständig runterfahren. Also muss auch eine geschaltete Masseleitung für den Komfort-Schaltkreis her.
Hmmmmmmnagut, dann bin ich halt doch der Erste, der das so aufbaut 🙂
Die Ausführung
Ausgangspunkt für alle meine Überlegungen ist das Relais „Fahrerseite absenken“ J290 hinten unter der Rücksitzbank. Warum? Na weil quasi daneben das Steuergerät der FFB sitzt, also braucht man nicht ewig weit Kabel ziehen – ich will ja nicht das halbe Auto zerlegen.
Da liegt alles, was man benötigt:
- J290 Klemme 87 rt/sw: Dauerplus von der Thermosicherung
- J290 Klemme 86 sw/ws/gn: Masseansteuerung vom Zentralschalter
- J290 Klemme 85 sw/bl: Zündplus
- J263 Klemme 31 br: Masse
Beginnen wir mit Problem #2:
Das lässt sich ganz einfach lösen, in dem man zwischen dem Kontakt M75s und dem eFh-Steuergerät eine Sperrdiode setzt. Damit kann man den Kreis rückwärts über die Klemme 85 unter Strom setzen, ohne das etwas Anderes unbeabsichtigt ebenfalls mit Strom versorgt wird.
In meinem Fall steckt der Teufel wie immer im Detail – man kann planen, so gut man will, aber man sollte immer mit Murphy’s Law rechnen – was schief gehen kann, geht schief:
Weil sich der Stecker an der Zentralelektrik (ZE) ums Verrecken nicht lösen ließ … brach irgendwann die Zunge an der ZE ab … damit hatte sich dann das ursprüngliche Kabel mit der Sperrdiode erledigt … und wurde mit einem Abzweig ergänzt
Auf die gleiche Art und Weise kann man Problem #3 lösen:
Am ZS wird die Sperrdiode an Pin 1 verbaut in Richtung Schalter. Damit geht Masse nach wie vor durch, Plus bleibt aber außen vor.
Kommen wir zu Problem #1:
Wie setzt man den Kreis für einen definierten Zeitraum unter Strom?
Für den Testaufbau habe ich mich eines Multifunktionsrelais (MFR) bedient (hat man ja immer in der Schublade liegen), im Endausbau kommt dann ein einfaches einstellbares Kfz-Impulsrelais rein. Dauerplus und Masse sind einfach parallel zu den oben angegebenen Klemmen aufgelegt, der Steuerimpuls kommt von der FFB (bei JOM ist es das rot/schwarze Kabel). Aus dem Ausgang des MFR geht quasi „Zündplus“ zurück zum eFh-Relais und parallel noch zu einem einfachen Arbeitsrelais. Das schaltet dann im gleichen Moment Masse, womit dann Problem #4 ebenfalls erledigt wäre. Diese geht an das schwarz-weißs-grüne Kabel und dient so als Ansteuerung für den eFh-Kreis „Fenster anheben“-
Das Multifunktions- und das Arbeitsrelais im Test
Und weil man natürlich nicht an alles denken kann, stellt man dann auch beim ersten Versuch fest, dass man mit der Lösung auch den nächsten Fehler eingebaut hat. In die Leitung „Zündplus“ muss ebenfalls eine Sperrdiode zwischen dem Zeitrelais und dem eFh-Relais gesetzt werden, sonst fahren die Fenster beim Einschalten der Zündung automatisch runter – über das Arbeitsrelais kommt ja in dem Moment Masse …
Der Ordnung halber habe ich mit TinyCAD einen Stromlaufplan erstellt, der hauptsächlich die Neuerungen beinhaltet:
Aber wie heißt es noch? „Am Ende ist alles gut – ist es nicht gut, ist es nicht das Ende!“
Und dieses Ende sieht doch recht gut aus 😉
Jetzt fehlt nur noch das richtige Zeit- oder Impulsrelais, das MFR ist ja nur für den Test gedacht. Fündig geworden bin ich im HELLA Regal mit dem 5HE 996 152-131 – da kann man die Zeit frei konfigurieren. Als Finish nur noch die passenden Halterungen für die Relais mit Steckern anfertigen, einbauen, fertig;
Und ab sofort heißt es per Knopfdruck: