The day after

Am 06.03.2020 bin ich morgens um 5:18 Uhr aufgewacht.

Woher ich das weiß? Weil ich zum ersten Mal die Anzeige des in etwa 2,5m Entfernung aufgestellten Radioweckers lesen konnte 🙂
Die Kurzsichtigen unter uns wissen, dass das ansonsten nur der Fall ist, wenn man mit Kontaktlinsen eingeschlafen ist oder der Kopf auf dem Wecker liegt – oder umgekehrt. Es ist auf jeden Fall ein hochgradig ungewohnter Anblick – und egal, wo man hinschaut, alles ist scharf. Naja – irgendwie scharf, also schon so die Konturen, aber richtig scharf sehen ist aufgrund des milchigen Schleiers noch immer schwierig. Wobei man sagen muss, dass sich über Nacht schon einiges geändert und verbessert hatte. Der Schleier war weniger vorhanden, die Aura um Lichtpunkte etwas kleiner – kurz, die Sicht insgesamt war besser als am Vortag.

Später am Morgen war ich in Münster zur ersten Nachuntersuchung eingeladen. Irritierenderweise war das Wartezimmer komplett voll, was aber nicht nur mich, sondern auch alle anderen Wartenden verwunderte. Bislang waren immer nur zwei oder drei Personen anwesend – aber andererseits wird grundsätzlich immer Donnerstags und nur Donnerstags operiert. Demnach müssen natürlich jede Menge Patienten am Folgetag zur Nachuntersuchung anwesend sein. Aber hier von betriebsamer Hektik zu sprechen wäre eine schamlose Übertreibung – auch jetzt war für jeden Patienten ausreichend Zeit.

Bei der Untersuchung – durchgeführt von Dr. Taneri – stellte er zufrieden fest, dass alles wie geplant verlaufen ist und sich auch anscheinend meine Einkehr am Abend vorher durchaus positiv ausgewirkt hat. Die für mich erstaunlichste Erkenntnis war, dass der 2mm „Riss“, der durch den Laser für die Entnahme des Lentikels erzeugt wurde, schon geschlossen war. Von daher war auf diesem Weg die Infektionsgefahr schon gebannt. Eine sehr beruhigende Erkenntnis, ist schließlich eine Infektion im Grunde genommen das größte Risiko bei einer solchen OP. Die Wahrscheinlichkeit, dass während der SMILE-OP etwas unvorhergesehenes passiert, ist zwar nicht auszuschließen, aber schon sehr, sehr gering. Im Vorfeld der ganzen Aktion habe ich mich natürlich mit vielen Menschen unterhalten, die in irgendeiner Weise Erfahrung mit Laser-OPs haben – unter anderem mit einer befreundeten Rechtsanwältin, die sich auf Medizinrecht spezialisiert hat und schon vieles leider erlebt hat Auf meine Frage, wie viele Fälle sie denn schon wegen Augen-OPs hatte war die einfache Antwort: „Noch keinen. Die Augen-Jungs sind anscheinend so hochprofessionell unterwegs, dass da einfach nix passiert.“

OK; wenn man sich den Aufwand bei der Vorbereitung auf die OP anschaut, dann ist das letzten Endes ähnlich wie eine SPS-gesteuerte CNC Fräse, die mit den im Vorfeld ermittelten Daten gefüttert wird und einfach ihren Job macht. Trotzdem möchte man da nicht einen dressierten Affen sitzen haben, denn genauso wie einen CNC Fräse einen ausgebildeten Maschinenbediener benötigt, begibt man sich hier in die Hände eines studierten Arztes, der zum Einen die OP begleitet und zum Anderen in Ausnahmesituationen auch die entsprechenden Entscheidungen treffen muss, wie man dann die Situation retten kann, ohne den Patienten in Gefahr zu bringen.

Denken wir mal pragmatisch:
Verliert man ein Bein oder einen Arm, ist das alles andere als lustig, aber dann kann man eine Prothese anbringen und zumindest eine Teilfunktion wieder herstellen. Wenn man ein Ohr verliert, dann kann man im schlimmsten Fall ein Cochlea Implantat einsetzen und darüber einen Teil des Hörsinnes zurück holen. Aber ein Auge? Wenn weg, dann weg – da gibt es keinen Plan B. Das ist übrigens auch eine Supermotivation , um die vom Doktor verschriebenen Augentropfen peinlichst genau nach Zeitplan einzuträufeln 😉

Was mich zum gefühlten Zustand der Augen am Tag nach der OP bringt. Vorausgesagt wurde für den Zeitraum nach der OP Trockenheit , Brennen, Fremdkörpergefühl und Lichtempfindlichkeit – das alles kann ich bestätigen. Aber am Tag danach war eigentlich nur noch die Trockenheit ein Thema, alles andere war schon Geschichte bzw. eine leichte Lichtempfindlichkeit am Morgen war noch da. Aber nochmal kurz zum rekapitulieren: Die OP war irgendwann gegen 16:30 Uhr, die Nachuntersuchung am nächsten Morgen um 9:15 Uhr – also nur rund 17 Stunden später. Und in dieser kurzen Zeit haben sich beide Augen schon so weit regeneriert, dass nur noch das überbleibt? Könnte schlimmer sein.

Frei nach Heinz Erhard: Noch'n Blog …