Servus,
im Artikel „Die Ausgangsbasis“ hatte ich erwähnt, dass das Fahrwerk schwammig ist. Naja, das war charmant untertrieben. Ein Freund von mir meinte neulich „Cool, das erinnert mich spontan an meinen Strich Acht von früher – hat was Sänftenartiges“.
Halloooo? Sänfte? Cabrio? Das geht ja mal gar nicht. Auch wenn ich kein Schlaglochsuchgerät brauche (was übrigens gaaaaanz einfach mittels eines H&R CupKits herzustellen ist – das ist bretthart und macht waaaahnsinnig viel Sinn bei einem Auto ohne Dach, das sowieso schon Torsionsbewegungen in der Längsachse macht …), aber ein bisschen sportlich darf’s bitte schon sein, schließlich hat Audi dem Cabrio seinerzeit ein um 20mm tiefergelegtes Sportfahrwerk verpasst und das sicherlich nicht ohne Grund.
Soweit, so tot – also das Fahrwerk im Ausgangszustand. Bei der Montage der Räder hatte ich schon gesehen, dass das Federbein auf der Beifahrerseite komplett nass ist:
Das deutet darauf hin, dass ein Stoßdämpfer die besten Tage hinter sich hat und sich sehnlichst auf sein Altenteil im Kreise seiner verschrotteten Brüder und Schwestern freut. Wenn ein Stoßdämpfer schon so aussieht, dann ist natürlich die Frage, wie sieht dann erst der Rest aus, also Gummilager, Querlenkerbuchsen, Trangelenke, Koppelstangen, etc. pp.
Wie man erwarten durfte, natürlich nicht besonders gut. Ausgeschlagen, zerfleddert, gerissene Manschetten, verrostet, vergammelt – kurz, alles, was einem so einfällt, was man am Liebsten NICHT an seinem Auto wiederfindet. Hier eine kleine Auswahl:
Die Buchsen am Querlenker lassen sich alle vier von Hand in ALLE Richtungen bewegen, das Gummi selbst ist lose. Die Kolbenstange vom Stoßdämpfer ist am Gewinde stark verrostet, so dass sich die darauf befindlichen Teile nur unter Durchführung von roher Gewalt (reine Androhung brachte gar nix!) befreien ließen – aber den Hingucker schlechthin finde ich das zweigeteilte Domlager, das anscheinend irgendwann einfach schizophren wurde und getrennte Wege ging. Das ist zumindest für mich neu, dass sowas geht.
Zeit für Tabularasa totalensis!
Erster Akt:
Alles raus, was Müll ist und durch Neuteile ersetzt werden möchte. Dank der Tatsache, dass ich Leute kenne, die eine komplett ausgestattete Werkstatt ihr eigen nennen, alles in allem zwar zeitaufwändig, aber kein wirkliches Problem. Dann sieht das nach ca. vier Stunden so aus:
Ja, OK, da fehlen noch die beiden Spurstangen und der Stabi sitzt auch noch drin – aber ich habe auch noch gesellschaftliche Verpflichtungen und durfte gestern Abend wieder Doppelkopf spielen. Absagen werden nicht tolertiert, es sei denn, man ist dahin geschieden – was ich aber noch nicht vor hatte.
Zweiter Akt:
Heute, Sonntag, habe ich dann die Bremsenteile entrostet, gereinigt und lackiert. Naja, lackieren ist ein zu großes Wort – sagen wir, ich habe alles mit meinem Lieblingslack von Hammerit angemalt. Es ist mir letztlich auch wurstegal, ob nun jemand meint, dass die Lackierung nicht sauber und gleichmäßig genug ist – für mich ist nur wichtig, dass man beim Betrachten der wunderschönen und wahnsinnig offenen Superleggera-Felgen nicht von rostigem Shice im Radhaus abgelenkt wird. Bei meinem Coupé habe ich das genauso durchgeführt und das hält schon eine ganze Weile – sogar auf dem Motorblock 😉
Und weil mich die Neugier nicht in Ruhe gelassen hat, wurden die beiden Stoßdämpfer hinten auch schon durch die neuen ersetzt. Warum Neugier? Weil ich dem Cabrio Bilstein B6 Stoßdämpfer spendiere und man an vielen Stellen im Audi Cabrio Forum lesen kann, dass die Kolbenstangen der Hinterachsdämpfer dünner sind und dass das nicht passt und dass man das mit Tüddelband umwickeln muss und überhaupt ist das eine ganz große Frechheit, dass Bilstein nicht das baut, was drin ist und jetzt bin ich beleidigt, so!
Ähhh, Moment – ich habe aber gar kein Problem gehabt beim Einbau?
Räder runter, Verdeckkasten öffnen, alten Dämpfer oben losschrauben (natürlich zunächst nur eine Seite, damit die Achse nicht auf den Boden fällt), unten die Verschraubung lösen, Federbein rausziehen, alles von der Kolbenstange abziehen und wie vorgesehen auf die neue stecken, Federbein einsetzen, Schraube unten durchstecken, die Achse mit einem Wagenheber anheben, das Gummilager mit Scheibe oben wieder draufstecken, Mutter drauf, festdrehen, fertig.
Und wo war jetzt das Problem? Das weiß ICH doch nicht! Bei mir lief das ja ausnahmsweise mal so wie vorgesehen. Und nein, die Bremsenteile an der Hinterachse habe ich noch NICHT angemalt 😉
Dritter Akt:
Heute (Montag) habe ich mal wieder etwas über das Prinzip „Ursache und Wirkung“ gelernt. Sofern ich das noch nicht erwähnt hatte – nicht nur das Fahrwerk ist kompletter Müll, auch die Bremsanlage ist eher von zumindest zweifelhafter Natur. Hier fand ich bei der Zerlegeaktion zu meiner positiven Überaschung vorne auf jeder Seite Girling G54 Sättel mit entsprechend großen Bremsscheiben. Da hatte ich eigentlich schon G60 Doppelkolbensättel eingeplant, aber um diese Entdeckung bin ich natürlich nicht böse.
Interessanter war mein Fund an der Hinterachse. Hier verrichtet wie üblich ein Girling G38 Sattel an einer 245er Vollscheibe sein Werk – oder wie im Falle des Cabrios auch nicht. Also eigentlich eher überhaupt nicht – zumindest auf der Fahrerseite. Die restlos verrostete Bremsscheibe ist mir beim Kauf schon aufgefallen, aber da denkt man an den standardmäßig festgegammelten Handbremsumlenkhebel, der den Rest blockiert … aber hier? Weit gefehlt, der war gängig. Wo lag also das Problem? Man kann das eigentlich schön an der Bremszange ablesen, was sich hier zugetragen hat:
Nicht nur, dass ich die Bremsbeläge mit einem Hammer aus der Führung schlagen musste, um sie aus dem Gefängnis zu befreien – die normalerweise mit reichlichst Fett eingesetzten und daher mit Faltenbälgen versehenen Bolzen (die die sogenannte schwimmende Lagerung des Sattels ermöglichen ) sind so dermaßen festgerostet, dass die sich mittels Hammerschlag nicht einmal ein Mü (µ) bewegen!
„Na und?“ mag sich der geneigte Leser nun fragen, „Mach’s halt neu und gut ist“.
Jo, sehe ich genau so – aber ich möchte dem geneigten Leser folgende Frage stellen:
„WIE ZUM TEUFEL KONNTE DAS AUTO IM VERGANGENEN JULI TÜV BEKOMMEN?“
Es ist ja nicht nur eine nicht funktionierende Bremse, sondern auch die Stoßdämpfer hinten sind extremst müde und verrichteten ihren Job nur noch extremst nachlässig. Hinzu kommt noch, dass sich die Kolbenstange des vorderen rechten Dämpfers ohne mein weiteres Zutun fast vollständig in ihr Gehäuse zurück gezogen hat, sobald die Mutter auf der Kolbenstange gelöst und entfernt war!
Normalerweise schaden Beziehungen nur dem, der keine hat – aber in diesem Fall ist das schon fast kriminell …
Vierter Akt:
Die Vorbereitungen gingen heute am Donnerstag weiter und sind mittlerweile fast abgeschlossen. Weil ich nach Möglichkeit wirklich nirgends auf alte gammelige und rostige Teile schauen möchte, war heute nochmal ein Anstreichertag – dieses Mal für die Federbeine, die hinteren Abdeckbleche an der Nabe, die Achswellen und ein bisschen Kleinkram.
Die alten Spurstangen mussten auch noch raus und da die Gelegenheit gerade günstig und der Faltenbalg des Lenkgetriebes gerissen war, habe ich den auch gleich mit ersetzt:
Fünfter Akt:
„Soooo, Emma, Feierabend!“ könnte man jetzt sagen. 🙂 Nachdem ich heute weitere Stunden mit Zusammensetzen, Verschrauben, Ausrichten, MutternundSchraubenmitdemvorgeschriebenenDrehmomentfestziehen etc. pp. verbracht habe, kann ich voller Stolz sagen, dass alles wieder an Ort und Stelle ist:
Damit das nicht sofort wieder wie Hulle aussieht, habe ich alles nach dem Einbau mit Karosseriedingsbums-Wachs eingesprüht. Mal schauen, was das so bringt.
Fahren kann ich leider noch nicht, weil das Bremsssystem noch entlüften werden muss – da steht mir aber das EDS im Weg. In meiner Reparaturanleitung wird explizit erwähnt, dass Fahrzeuge MIT EDS bitteschön in eine Fachwerkstatt gebracht werden möchten denn da sitzt noch ein weitere Entlüftungsventil vorne am ABS-Block und wir werden dir Doofmann garantiert nicht erklären, wie das geht und was du machen musst, um das wieder zum Laufen zu bringen.
Naja, wenn man das im Buch liest, dann steht da schon was anderes, aber wenn man bei dem, was im Buch beschrieben ist, mal zwischen den Zeilen liest, dann klingt das tatsächlich in etwa so wie ich das beschrieben habe. Vielleicht fehlt etwas der beleidigte Unterton … 😉 Andererseits wollen wir auch nicht vergessen, dass der Beruf des Kfz-Mechanikers auch ein Lehrberuf ist, und das sicherlich nicht ohne Grund.
Egal, ich freu mich wie Bolle, dass die Woche endlich vorbei aber damit auch endlich das Fahrwerk etc. alles neu ist. Es fehlen zwar noch die Koppelstangen (waren nicht lieferbar) und die Gummilager vom Stabi (hatte mein Kollege leider auch noch nicht) sowie die Lager der Hinterachse und vom Panhardstab (wobei ich DA sowieso noch nicht weiß, wie ich DIE austauschen soll, aber da findet sich bestimmt auch noch eine Lösung. Koppelstangen und Stabi kann ich problemlos nachher machen – die sind für die anstehende Vermessung des Fahrwerks nicht relevant.
Hauptsache, das Wetter bleibt einigermaßen brauchbar 😀